Islam und Koran

Darf eine Frau alleine reisen?

Wenn man sich die Überlieferungen über die Reise der Frau anschaut, stellt man fest, dass diese Unterschiede aufweisen. Darf die Frau nun alleine reisen oder nicht?

Darf eine Frau alleine reisen?
 
Frage:
Darf eine Frau ohne ,,Mahrem” [1], manchmal zu beruflichen und manchmal zu Besichtigungszwecken, alleine oder in einer Frauengruppe zwischen Städten reisen?
 
Antwort:
Wenn wir uns die Überlieferungen über die Aussagen des Propheten zu der Reise der Frau anschauen, stellen wir fest, dass sie Unterschiede aufweisen. Während zum Beispiel bei einigen Überlieferungen die Frau eine Reise von einem Tag und einer Nacht Entfernung nicht ohne einen Mahrem machen darf, ist dies laut einigen Überlieferungen bei einer Reise von zwei Tagen und zwei Nächten, bei einigen bei einer Reise von drei Tagen und drei Nächten, bei einigen hingegen ohne eine Entfernungsangabe grundsätzlich verboten.
Auf der anderen Seite, teilte unser Prophet mit, dass eine Zeit kommen werde, in der es Frauen gestattet sein werde, ohne Mahrem zu reisen. Bei der Überlieferung von Adiyy bin Hatim sehen wir ganz klar und deutlich, dass sich diese Abkündigung bewahrheitete.
Die Tatsachen, dass die Überlieferungen zu diesem Thema Unterschiede aufweisen und die Überlieferung von Adiyy, die besagt, dass Frauen eines Tages in der Lage sein werden, vom Irak bis nach Mekka ohne Mahrem zu reisen, zeigen, dass das Verbot der Frau, ohne Mahrem zu reisen, auf einer Ursache beruht. Wenn also die Ursache (Hindernis), für das Verbot aus dem Weg geräumt wird, wird auch das Verbot aufgehoben werden.
Wie aus der Überlieferung von Adiyy klar ersichtlich wird, ist der Grund für das Verbot der Frau, ohne Mahrem zu reisen, dass die Sicherheit für die Reisewege nicht gewährleistet war.
 
Die betreffenden Überlieferungen:
1. Die Überlieferung, nach welcher eine Frau nicht ohne Mahrem eine Reise von einem Tag und einer Nacht Entfernung machen darf:
 
Ebu Hurayra (der Friede sei mit ihm) erzählt: ,,Der Gesandte Gottes (SAV) sagte: ,Es ist nicht gestattet, dass eine Frau, die an Gott und an den Jüngsten Tag glaubt, eine Reise von einem Tag und einer Nacht Entfernung, ohne einen Mahrem macht [2].’“
2. Die Überlieferung, nach welcher eine Frau nicht ohne Mahrem eine Reise von zwei Tagen und zwei Nächten Entfernung machen darf:
 
Ebu Saîd el-Hudri (der Friede sei mit ihm) sagt: ,,Ich habe vom Propheten vier Weisheiten vernommen, die ich sehr interessant fand und die mich sehr verwunderten (Eines davon ist): ,Eine Frau soll keine Reise von zwei Tagen Entfernung machen, wenn nicht ihr Ehemann oder ein Mann aus ihrer Familie, den die nicht heiraten darf, dabei ist [3].‘“
3. Die Überlieferung, nach welcher eine Frau nicht ohne Mahrem eine Reise von drei Tagen und drei Nächten Entfernung machen darf:
 
Abdullah Ibn Omar (der Friede sei mit ihm) berichtet: ,,der Prophet (SAV) sagte: ,Eine Frau soll/darf keine Reise von drei Tagen Entfernung ohne einen Mahrem machen [4].’”
4. Die Überlieferungen, nach welchen eine Frau überhaupt keine Reise ohne  Mahrem machen darf:
Abdullah Ibn Abbas (der Friede sei mit ihm) erzählt: ,,Keine Frau soll ohne einen Mahrem auf die Reise gehen. Keine Mann soll zu ihr eintreten, wenn nicht ein Mahrem von ihr anwesend ist.’
Auf die Warnung des Propheten hin, fragte einer der Gefährten:
,O Gesandter Gottes, ich möchte mit diesen und jenen Soldaten in den Krieg ziehen. Dabei möchte meine Frau die Pilgerfahrt machen. (Was gebietest du?)‘
Der Prophet sagte: ,Geh auch mit deiner Frau mit [5].’”
5. Die Ankündigung, dass die Frau ohne einen Mahrem reisen können wird:
Adiyy b. Hâtim (der Friede sei mit ihm) erzählte Folgendes:
,,Als ich gerade beim Propheten war, kam ein Mann und beschwerte sich bei ihm über die Armut. Dann kam jemand anderes und beschwerte sich bei ihm über die Wegelagerer. Der Prophet (SAV) sagte:
,Adiyy, hast du jemals die Stadt Hire [7] gesehen?‘ Ich erwiderte: ,Nein, ich habe sie nie gesehen, aber man hat mir von ihr berichtet. Ich weiß über sie Bescheid.‘
Unser Prophet sagte: ,Falls du so lange lebst, wirst du erleben, wie Frauen sich in einem Tragekorb auf dem Kamel von Hire aus auf den Weg machen werden und die Umschreitung der Kaaba machen werden, ohne sich vor irgendjemandem außer vor Gott zu fürchten.‘
Ich wunderte mich darüber und dachte laut: ,Wo werden denn diese Wegelagerer des Tayy Stammes sein, die allerorts das Feuer des Unfriedens und Schreckens entfacht haben, (so dass die Frau wird alleine reisen können)!‘ Der Prophet fuhr fort: ,Ich schwöre es, wenn du so lange lebst, wirst du sicherlich erleben, wie die Schätze von Kisra erobert werden.‘
Ich fragte: ,Die Schätze des Kisra Ibn Hurmuz?‘ Der Prophet erwiderte: ,Ja, die Schätze des Kisra Ibn Hurmuz. Ich schwöre es, falls du lange leben solltest, wirst du gewiss erleben, dass einer eine Handvoll Gold oder Silber als Almosen ausgeben wollen wird, aber niemanden finden wird, der es annimmt. Ich schwöre auch, dass an dem Tag, an dem einer von euch zu seinem Herrn zurückkehrt, es keinen Übersetzer zwischen ihm und Gott geben wird. Und Gott wird ihn fragen:
,Habe ich dir keinen Gesandten geschickt und hat er dir die Botschaften nicht überbracht?‘ Dieser wird antworten: ,Doch (das hast du)!‘ Dann wird Gott fragen: ,Habe ich dir keinen Besitz gegeben und dich mit deiner Erscheinung beschenkt?‘ Der Mensch wird antworten: ,Doch (das hast du).‘
So wird diese Person nach rechts schauen und nichts anderes als die Hölle erblicken. Er wird nach links schauen und wieder nur die Hölle sehen.“
Adiyy sagte: ,,Ich sah die Frau, die in einem Tragekorb auf dem Kamel von Hire aus aufbrach, ohne sich vor irgendjemandem außer vor Gott zu fürchten und schließlich die Umkreisung der Kaaba machte. Ich befand mich selbst in der Armee, die die Schätze des Kisra Ibn Hurmuz eroberte. Ich schwöre es, wenn ihr lange leben solltet, werdet ihr mit Sicherheit erleben, wie die Leute, von denen unser Prophet erzählte, eine Handvoll Gold als Almosen darbringen werden [6].
6. Die Vorgehensweise der Gefährten in Bezug auf die Reise der Frau
Imam Buhari gab folgende Informationen zu Beginn des Abschnitts, der von den Überlieferungen über die Pilgerfahrt der Frauen handelt:
Ahmed Ibn Mohammed el-Ezrakî sagte zu mir: ,,Uns teilte Ibrahim von seinem Vater Saad und dieser von seinem eigenen Vater Ibrahim Ibn Abdurrahmân Ibn Avf Folgendes mit: ,Omar Ibn Hattab, der Friede sei mit ihm, erlaubte bei seiner letzten Pilgerfahrt den Frauen des Propheten mitzureisen und schickte mit ihnen zusammen Osman Ibn Affan und Abdurrahman Ibn Avf [8].’’’
Es ist offensichtlich, dass diese beiden Gefährten nicht zu den Mahrem dieser Frauen gehören.
Zusammenfassung
In Bezug auf die Pilgerfahrt sagt Gott:
,,Und die Menschen sind Allah gegenüber verpflichtet, die Wallfahrt nach dem Haus zu machen – soweit sie dazu eine Möglichkeit finden (Ali-Imran 3/97).’’
Hier ist jeder verantwortliche Mensch gemeint, egal ob Mann oder Frau. Der Ausdruck ,,soweit sie dazu eine Möglichkeit finden’’ schließt sowohl die Sicherheit der Reisewege als auch die gesundheitlichen Voraussetzungen und die materiellen Möglichkeiten ein. Da der Gottesdienst etwas privates ist, macht derjenige die Pilgerfahrt, der ,,dazu eine Möglichkeit findet’’. Gemäß der Natur ist die Sicherheit der Frau wichtiger als die Sicherheit des Mannes, denn die Frau ist körperlich schwächer als der Mann.
Das Verbot der Reise der Frau ohne Mahrem ist nicht auf die Zeit des Propheten begrenzt. Überall, wo die Sicherheit der Reisewege nicht gewährleistet ist, ist es nicht gestattet, dass die Frau ohne Mahrem reist. Wenn aber die Sicherheit vorhanden ist, gibt es kein Verbot.
 
[1] Ehemann oder näherer männlicher Verwandter (Vater, Bruder, Onkel…).
[2] Buhârî, Taksîru’s-Salât 4; Muslim, Hadsch 419, 422, (1339); Muvatta, Isti’zân 37; Ebu Dâvud, Menâsik 2; Tirmizî, Radâ 15.
[3] Buhari, Muhsar, 37; Muslim, Hadsch, 415, 416 (827).
[4] Buhârî, Taksîru’s-Salât 4; Muslim 413 (1338).
[5] Buhari Muhsar, 37; Muslim, 424 (1341).
[6] Buhari, Menakib, 25.
[7] Hire: ist heute ein Distrikt, das zur Provinz von Najaf im Irak gehört. Es wurde 5 km von Kufa und südöstlich vom Grabhügel Kinidra, das sich zwischen Kufe und Havarnak befindet, in einem weiten Tiefland am Rande des Flusses Firat gegründet. Hüseyin Ali ed-Dakûkî, ,,Hîre”, Diyanet İslam Ansiklopedisi, c: 18, s: 122.
[8] Buhari, Muhsar, 37.
 
Yahya ŞENOL – Enes ALİMOĞLU
Übersetzt ins Deutsche von:
Hatice Göktaş
 
 

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