Einerseits die Offenbarungsbücher, in denen der Sinn des Lebens erklärt wird, anderseits die Wissenschaft und die aus ihr hervorgehende technologische Sichtweise.
Einzeln betrachtet zwei voneinander unabhängige Weltanschauungen (Religionen). Jede für sich verheißt dem Individuum unter bestimmten Umständen eine Aussicht.
Die Religion beschreibt, die Wissenschaft zeichnet. Beide lösen beim Menschen eine Vorstellung aus.
Die Wissenschaft veranschaulicht lediglich die Dinge, welche berechenbar sind oder nachgewiesen werden können, während die Religion darüber hinaus eine Vorstellung für das Leben nach dem Tode bietet. Die Wissenschaft hingegen ist beschränkt auf berechenbare und nachgewiesene Erkenntnisse, welche sie bei der Vorstellung, wie sie die Religion beschreibt, völlig überfordert.
Die Religion sagt aus, dass alle Beweise für ihre Beschreibung auch im Universum zu finden ist. Anders gesagt bedeutet dies, dass die Annäherung zur Wahrheit mittels der Wissenschaft möglich ist.
Worin liegt dann der Widerspruch bei einer solchen Erklärung?
Meines Erachtens liegt die Antwort in der Beantwortung der Fragen: “Welche Religion?” und “Welcher Verstand?”
Zugegeben fällt das Entrinnen aus Denkschablonen nicht einfach, wenn Vorgehensweisen und Methoden geheiligt werden. Zumal wenn es sich um abstrakte Angelegenheiten handelt, wird es relativ schwer. Insbesondere bei Vorgehensweisen, welche aus dem traditionellen Religionsverständnis heraus in die heiligen Bücher hinzugetan wurden, fällt das Ausbrechen besonders schwer. Aus diesem Grunde ist die Beziehung “Religion-Individuum-Freiheit” besonders wichtig, zugleich muss eine Methodik des Hinterfragens bewerkstelligt werden.
Bei der Beschäftigung mit der islamischen Geschichte fällt auf, dass der Islam zu Zeiten der religiösen und pflichtbewussten Regierungen (später wurden sie zu Monarchien), zur Weiterentwicklung von Naturwissenschaften und Rechtswesen einen enormen Beitrag leistete. Es ist sicherlich nicht übertrieben hervorzuheben, dass die daraus gewonnenen Erkenntnisse in Bereichen Wissen, Technologie und Rechtssystem Jahrhunderte lang die treibende Kraft bei der Entdeckung neuer Geographien und soziologische Errungenschaften gewesen ist. Wir sprechen hier von einer Dynastie, die Kunst, Literatur, Rechtsprechung, Wissenschaften, Kultur, Ökonomie, Architektur etc. hervorrief.
Als jedoch die eigentliche Zielsetzung eintrübte, die Trägheit im Lehren und Lernen anfing, der Verfall in Oberflächlichkeit und Traditionalismus einbrach, sodann sah sich die bis dahin mächtige islamische Zivilisation mit Problemen konfrontiert. Kurz gesagt, es begann die Zeit der Regression.
Zur selben Zeit findet im christlichen Westen ein erbitterter Kampf zwischen der deskriptiven Wissenschaft und den Theologen statt. “Die Religion ist Opium”
Die Konfrontation der deskriptiven Wissenschaft und den Theologen wurde zum Inbegriff von “Religion und Wissenschaft ein Widerspruch”. Speziell im 19. Jahrhundert, als die Nationalismus-Welle vom Westen in die islamische Gesellschaft überschwappte und sie zerstückelte, folgte auch hier der Slogan: “Religion fördert den Rückstand”.
Der eigentliche Streit aber wurde geführt, zwischen der natürlichen Erschaffung Gottes und der Kirche. Indes errang die Wissenschaft einen unbezwingbaren Sieg über der Kirche, indem sie die technischen Errungenschaften dem Nutzen der Menschen zur Verfügung stellte. Das war ein enormer Motivationsschub im Wachstum des Widerstandes gegen sie.
Aus der französischen Revolution, welche den Gipfelpunkt dieser Bewegung bildete, ging eine neue Gesellschaftsform hervor, im Zusammenspiel von Technologie-Kapital-Macht. Diese Form musste zuerst vom eigenen Volke gebilligt werden, später erklärten sie sie zur sogenannten “westlichen Zivilisation” als Zugpferd über allen anderen Zivilisationen hinweg. Nach der Neudefinition von Ökonomie, Recht, Politik, Geschichte, Glauben, Wissenschaftliche Methoden und regionale Ethiken begannen sie diese in die gesamte Welt beherrschend auszudehnen. Ihr folgten Kriege und harter Wettbewerb, welche sich heute noch mit erschreckender Geschwindigkeit ausweitet.
Wissenschaftliche Rückständigkeit, unlimitierte Ausdehnung von Technologien, ungleichmäßige Verteilung des Wohlstandes üben großen Einfluss auf Muslime und mehrheitlich ihnen besiedelte Landstriche aus. Schwache und frustrierte Teile der Gesellschaft führen diese Misere auf die Religion zurück.
Ist das tatsächlich so?
In wie fern stimmt das Religionsverständnis der Kirche mit dem des Koran überein?
Noch wichtiger ist die Frage; Welchen Stellenwert hat die Wissenschaft in den beiden Zivilisationen?
Ist der Grund für Rückständigkeit und Streit in der muslimischen Welt, neben der Trägheit auch die Tradition als Religion aufgefasst wird?
Im Zusammenhang auf die Fragen kann sicher festgestellt werden, dass manche Traditionen und falsche Interpretationen im Laufe der Zeit als ein Teil der Religion angesehen wurden und somit das Islamverständnis erheblich beeinflusste. Als ein weiteres Problem zählt die Ansicht, dass Religion und Wissenschaft als zwei voneinander unabhängige Fachgebiete betrachtet werden.
Diese Auffassung wird verstärkt weil die Lösungssuche für die alltäglichen Belange der Menschen von Personen erledigt wird, die nur eine theologische Ausbildung hinter sich haben, der Lösungsansatz selbst geht nicht in die Tiefe, sondern beschränkt sich auf “Gut-Schlecht” und “Erlaubt-Verboten”.
Eigentlich müsste heute der Stand der Wissenschaft für besseres Koranverständnis beitragen. Umgekehrt müsste die Religion die Wissenschaft inspirieren, um bisher noch in unerforschten Fachgebieten eine Perspektive zu bieten, damit dann ohne Umwege ein Resultat erzielt werden kann.
Das eingeprägte Bild in den Köpfen besagt allerdings, dass das heilige Buch nicht im Stande ist solch etwas zu leisten. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Prophetengeschichten voll mit Wundern sind, die den Menschen wegweisend begegnen, so finden wir darin beispiellose Inspirationen – siehe die Koransure An-Naml, Die Ameisen 27/38-41:
(Als Salomon erfuhr, dass die Königin von Saba unterwegs zu ihm war,) sagte er (zu seinem Rat): “O ihr Edlen! Wer von euch kann mir ihren Thron bringen, ehe sie und ihre Anhänger in williger Ergebung in Gott zu mir kommen?” Ein Kühner von den unsichtbaren Wesen (die Salomon untertan waren,) sagte: “Ich werde ihn dir bringen, ehe du von deinem Ratstuhl aufstehst – denn, siehe, ich bin stark genug, es zu tun (und) des Vertrauens würdig!” Derjenige, der durch Offenbarung erleuchtet war, antwortete: “(Nein,) was mich angeht – ich werde ihn dir bringen, ehe dein Augenzwinkern vorüber ist!” Und als er ihn wahrhaft vor sich sah, rief er aus: “Dies ist (ein Ereignis) von der Huld meines Erhalters, um mich zu prüfen, ob ich dankbar bin! Doch wer (Gott) dankbar ist, der ist nur zu seinem eigenen Wohl dankbar; und wer undankbar (der sollte wissen, dass) wahrlich mein Erhalter selbstgenügend, äußerst freigiebig ist!” (Und) er fuhr fort: “Verändert ihren Thron, so dass sie ihn nicht als ihren den ihren erkenn mag: Lasst uns sehen, ob sie sich (zur Wahrheit) leiten lässt oder eine von jenen bleibt, die nicht geleitet werden.”
Die Koranverse weisen auf die Teleportationen hin, obendrein geht es darin um den Prophet Salomo, dessen geschichtliche Existenz außer Frage ist. Im Vers wird ganz klar berichtet, dass er ein Mensch war, der die Teleportation ausführte. Um einen möglichen Einwand, dass es sich um eine Illusion handeln könnte vorzugreifen, wird im folgenden Vers sogar ein physikalischer Eingriff vorgenommen. Bis vor Kurzem hätte es keiner gewagt solch etwas zu unternehmen, allerdings wissen wir in der Zwischenzeit, dass es bereits Forschungsarbeiten in diesem Bereich gibt.
Diese und ähnliche Themen finden wir im Koran zu genüge. Es fehlt allerdings an Forscherteams, die mit analytischem Denken, mit Begeisterung und Energie vorangehen und die Projekte abschließen. Letztlich ist es doch so, dass die Schöpfung das “erschaffene Buch Gottes” ist, und das “offenbarte Buch Gottes” der Koran, um mit ihnen zusammen die Wahrheit für die Menschen zu finden.
Nach meiner festen Überzeugung nach wird dieses Jahrhundert eine Brücke zwischen der Religion und Wissenschaft schlagen. Indes muss die islamische Zivilisation sich all den Fragen stellen und entschlossen für Lösungen eintreten. Anders gesagt, traditionelle Einflüsse in der Religion müssen mit Hilfe dem Koran und dem Beispiel des Propheten aussortiert werden – das ist eine äußerst wichtige Angelegenheit.
Hasan Mustafa Arslan