Islam und Koran
Kapital, Macht und Armut

Kapital, Macht und Armut

In dieser Aufzeichnung versuche ich mit Beispielen aus dem Koran das Thema „Kapital und Macht“ aus einer bis dahin vernachlässigten Sichtweise zu beleuchten.

Der Koran berichtet uns an Hand zwei Exempeln, über Menschen, die reich an Gütern und Besitztümern sind. Der erste von den beiden ist Karun, dessen Schätze dermaßen im Überfluss waren, dass selbst starke Männer ihre Schatzschlüssel nur mit Mühe tragen konnten. Das zweite Beispiel handelt vom Propheten Salomon, seine Andacht an den Herrn wurde belohnt mit unermesslichem Reichtum, der von keinem menschlichen Wesen jemals übertroffen werden wird.

Beide Lebensgeschichten, versehen mit unermesslichem Reichtum und Macht, sind von Gott eine Botschaft an uns, wie der Umgang mit ihnen aussehen sollte.

Wie im weiteren Text zu lesen sein wird, positioniert Karun im Korankapitel al-Kasas, Die Geschichte 23/76-82 sein Credo und seine Lebensweisheit, obwohl ihn die Ermahnung Gottes deutlich erreichte;

trachte mit dem, was Gott dir gegeben hat, nach der jenseitigen Wohnstätte, vergiss aber auch nicht deinen Anteil am Diesseits. Und tu Gutes, so wie Gott dir Gutes getan hat. Und trachte nicht nach Unheil auf der Erde, denn Gott liebt nicht die Unheilstifter.

Nach all den Warnungen trotzte er diesen jedoch törichterweise, im festen Vertrauen an seinen Reichtum. Wie schon im 104. Korankapitel al-Humaza beschrieben, verfestigten sich die verächtlichen Handlungen Karuns Lebensphilosophie. Seine Antwort darauf war

Was ich habe, das habe ich durch mein eigenes Wissen erworben.
Wenn dem Menschen Unheil widerfährt, ruft er Uns an. Wenn Wir ihm hierauf Gunst von Uns gewähren, sagt er: „Es ist mir nur gegeben worden aufgrund von eigenem Wissen.“ Nein! Vielmehr ist es eine Prüfung. Aber die meisten von ihnen verstehen es nicht. (az-Zumar, Die Scharen 39/49)

Im Laufe der Menschheitsgeschichte werden wir nur allzu oft mit derartigen Charakteren, wie es Karun gewesen ist, konfrontiert. Ihre Gefährten sind die engsten und profitgierigsten Genossen, die solchem Gehabe Beifall klatschen, bei anderen lösen sie höchstens Neid aus.

Der Prophet Salomon mit der noch viel größeren Macht begegnet den Menschen hingegen mit einem schönen Beispiel, wie ein gottgefälliges Leben aussehen kann.

Und David gewährten wir Salomon (als Sohn) der ein vortrefflicher Diener Gottes war und sich stets andächtig zu Ihm wandte. Eines Abends wurden ihm edle Pferde vorgeführt, die ruhig sind, wenn sie stehen und schnell, wenn sie rennen. Er sprach: „Ich empfinde eine große Liebe für die Pferde, die vom Nachdenken über meinen Herrn herrührt, denn sie sind Mittel zum Guten“, und betrachtete sie so lange, bis sie seinem Blick entschwunden waren. „Bringt sie mir wieder zurück!“ Dann streichelte er sie an den Beinen und am Hals. Wir prüften Salomon, ließen ihn, einem leblosen Körper gleich, auf seinem Stuhl sitzen. Er besann sich und fand dann reumütig zu Uns zurück. (Sad 38/30-34)

Wie aus den Versen zu entnehmen ist, bat der Prophet Salomon Gott um Macht und Reichtum, jedoch äußerte er diese Bitte nur um an Gottesgnaden erinnert zu werden, dies bestätigt die Art und Weise wie er mit den Gaben umging. Das genau ist der springende Punkt. Einerseits, das Kapital der Karuns, Phaoraos, Nimrods dieser Welt, vermeintlich verdient durch Eigenleistung mit der absoluten Freiheit über sie zu bestimmen.

Demgegenüber Beispielhaft im Umgang mit den Dingen, dass alles im Grunde Gott selbst gehört , die Dankbarkeit und Lobpreisung für Seine Gaben, die Verfügung errungener Macht um Seine Gnade zu erhalten – das ist der Prophet Salomon und es gibt andere auf der selben Fährte.

Ergebenheit, aber wie?

Nach den Erläuterungen des Koran über die zwei möglichen Wahrnehmungen von Besitztümern und Macht, ist es angebracht das Begehren nach ihnen näher zu interpretieren.

Ohne Zweifel ist das Leben auf der Erde eine Prüfung, welche um Besitz, Nachkommen und Macht geht. Bei angemessener Hege und Pflege gibt Gott im Überfluss, ebenso nimmt er diese bei Unterlassung gebührenden Anstrengungen. Anlässlich zahlreichen Koranversen, welche diese Aussagen belegen, ist es entscheidend Haltung anzunehmen zwischen;

  1. In Ergebenheit hinein zu sinken ohne die nötigen Schritte für den Erfolg einzuleiten
  2. Die Ergebenheit in der rechtlich zulässigen Anwendung von „Ursache und Wirkung“ zu suchen

In der Lebensgeschichte des Propheten Mohammed finden wir letzteres angewandt. Im Gefecht bei „Badr“ als ihm der Sieg von Gott vorab verkündigt worden war und bei anderen Gefechten, unterließ er niemals die vorsorglichen Schritte und Maßnahmen vorzunehmen. Vor dem Gefecht bei Badr versicherten seine Gefährten, die bereits bei „Aqaba“ den Treuebund mit dem Propheten geschlossen hatten, dass sie nicht handeln würden wie das Volk Moses; diese ließen Moses allein, indem sie treulos wurden: „Gehe und kämpfe mit deinem Gott, wir werden gewiss hier warten“. Die Gefährten Mohammeds hingegen standen hinter jeder seiner Entscheidungen und waren ihm stets treu, da ihnen die Ursachen und deren Auswirkungen bewusst waren. Derartige Beispiele sind um beliebige erweiterbar.

Das ist der einzig vernünftige Weg, denn schließlich sind wir als Menschen der Prüfung ausgesetzt.

Das erstgenannte Verhaltensmuster „schauen wir mal, ob uns Gott zur Hilfe kommt“ würde die Prüfung Gottes unsererseits zur Folge haben. Das wäre reine Blasphemie. Das Äffen nach esoterischen Traumdeutungen und vermeintlich heilenden Kräften hat zur Folge, den Teufel einzuladen, um offene Türen einzurennen. Denn wer, außer den Propheten könnte wem welchen Beweis erbringen? Wenn es die Absicht ist, den Koran zu deuten, welcher Heiler könnte das strahlende Wunder des Korans in den Schatten stellen? Kann es überhaupt als Wunder angesehen werden, wenn auf einem Lebewesen oder einem Ding in der Natur, die Silhouetten der Wörter „Gott“ oder „Mohammed“ zu sehen sind? Wo doch jede noch so winzige Zelle viele Wunder bereits beinhalten. Oder sind diese Silhouetten viel mehr ein Stoß an die Köpfe, wie sehr wenig wir unseren Verstand gebrauchen?

Islam und Mystik

Generell standen Muslime dem Besitz und Macht skeptisch gegenüber, obgleich diese Skepsis nicht unbedingt davor abhielt sich finanziell abzusichern. Allgemein gesehen wurden sie für eine große Belastung gehalten, für die es nur schwer wäre Rechnung zu tragen. Insbesondere im osmanischen Reich, das über Jahrhunderte hinweg die Vorherrschaft der islamischen Gesellschaft inne hatte, wurde der Leitgedanke der Mystiker, sich im diesseitigem Leben von Hab und Gut zu entziehen, gefördert. Zurückgeblickt ist zu bemerken, dass die Hauptursache der Miseren darin lag, die Disziplinen Forschung, differenziertes Hinterfragen und Entdeckung zu unterlassen, und den nachfolgenden Generationen diese Trägheit vererbt wurde. Diese allgemeine Feststellung kann die Ausnahmen, welche es sicherlich auch gab, nicht wettmachen.

Es ist nicht beabsichtigt eine bestimmte Epoche schlecht zu reden, überdies ja immer noch die glänzenden Errungenschaften der Osmanen in Bereichen Staatsverwaltung etc., emporragen. Es ist lediglich die Absicht, Analysen zur Rezessionsphase durchzuführen um bei der Zukunftsplanung nicht dieselben Fehler zu begehen. Gelobt sei Gott hat Er der Menschheit den Koran als ein unverfälschbaresBuch als Rechtleitung offenbart.

Die Notwendigkeit der Neuordnung und die Armutsgefahr

Würde der „Islam“, ohne irgendwelche Anomalitäten verstanden, sähe man, dass er alle Bereiche des Lebens umfasst und die Zufriedenheit gemäß der natürlichen Veranlagung des Menschen bereitet. Ihn in einen Schutzmantel aus Mystik zu umhüllen und als etwas völlig anderes vorzustellen, ist ein Aufzwang seinen Anhängern gegenüber, welcher neue Spaltungen hervorrufen könnte. In solch einem Zustand verschwinden die klarsten Wahrheiten hinter der dunklen Fassade der Mystik. Mitsamt den mystischen Ritualen geraten die heiligen Offenbarungsverse ebenso ins Hintertreffen, so dass im undurchdringlichen Dickicht die Ethik der Nachforschung und des Hinterfragens verlorengehen und die Religion als nichts anderes als eine Dogmensammlung dasteht.

Um dies noch ein Wenig klarer darzustellen; Wir müssen unbedingt und so schnell es geht die immer noch lastende Trägheit auf der islamischen Zivilisation abschütteln, denn es ist unzureichend sich auf politischen Argumente zu beschränken, wenn die Absicht globale Veränderungen anzustreben ist. Gerade jetzt ist es angeraten, alle Wissenschaftsdisziplinen als ein Teil der Religion zu betrachten, angefangen vom Umweltschutz zum Verbrauch, von der Bildung zum Gesundheitswesen, von der Archäologie zur Astrologie usw., in jeder Beziehung die Sicht des Islams nochmals neu zu definieren und damit die Muslime auszustatten.

Zum Beispiel betrachten manche den Konsum unter dem Aspekt, dass es ausreicht ein Kleidungsstück und einen Bissen zu besitzen; im Bezug auf den Welthandel würde dieses Verständnis lediglich zu noch mehr Arbeitslosigkeit und Verarmung als auch Bereicherung bestimmter Bevölkerungsschichten führen. Unter diesen Gesichtspunkten muss die Definition des Begriffs „Verschwendung“ neu bewertet werden.

Alles bis hierhin Besagte darf nicht als Verweltlichungsversuch an den Muslimen gesehen werden;

Richte deine Augen nicht verlangend auf die Freuden, die Wir dem einen oder dem anderen von ihnen im diesseitigen Leben verschafft haben, damit sie geprüft werden! Gottes Vergeltung im Jenseits ist besser und dauerhafter. (Ta Ha, O Mann 20/131)
Und damit die Menschen nicht eine einzige Gemeinschaft werden (sahen Wir davon ab, sonst), hätten Wir wahrlich denjenigen, die den Allerbarmer verleugnen, für ihre Häuser Decken aus Silber gemacht und (auch) Treppen, auf denen sie hätten hochsteigen können, und Türen für ihre Häuser, und Liegen, auf denen sie sich lehnen können, und (weitere) Zierde. All das ist aber nur Nießbrauch des diesseitigen Lebens. Das Jenseits bei deinem Herrn ist jedoch für die Gottesfürchtigen (bestimmt). (Zukhruf, Gold 43/33-35)

Die momentane Weltarmut und ihre drohende globale Ausbreitung in der Zukunft gilt es abzuwenden. Sonst gefährdet die Armut an Glaubensverweigerung abzudriften:

[…] Jene nun, die nach dem Leben in dieser Welt begierig waren, sprachen: „Oh dass wir doch das gleiche besäßen wie das, was Karun gegeben ward! Fürwahr, er ist der Herr gewaltigen Glücks!“ (al-Qasas, Die Geschichte 28/79)

Bis vor einigen Jahrhunderten war diese Gefahr vielleicht nicht gegeben, da die islamische Zivilisation 1200 Jahre die absolute Dominanz in den Wissenschaften inne hatte, seit den beiden Jahrhunderten jedoch sieht sich die Zivilisation mit einer gefährlichen Rückständigkeit konfrontiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand nach der ersten Weltneuordnung die Zerspaltung und Kolonisation der Länder statt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts die zweite noch zerstörerische Weltneuordnung angefacht durch die Globalisierung und dessen Folgen für Führung und Regierung; Passivität, Unzulänglichkeiten und unausgewogene Lastverteilung haben weit aus schrecklichere Auswirkungen als es durch die erste Weltneuordnung verursacht wurde.

Die Gründe sind primär bei uns selbst zu suchen:

Gott würde die Huld, die Er einem Volk gewährt hat, nicht ändern, bis sie sich selbst gewandelt haben. Gott hört alles und weiß alles. (al-Anfal, Kriegsbeute 8/53)

Die Versuche mit dem Slogan „Globalisierung“ die Welt mit Hilfe ihrer Vormachtstellung zu beherrschen, wird mit Sicherheit auf den Rücken der unterentwickelten, im Besonderen auf muslimischen Ländern ausgetragen.

Sie haben ja keinen Anteil an der Herrschaft. Hätten sie an der Herrschaft teil, hätten sie keinem auch nur das Allergeringste zukommen lassen. (an-Nisa,Frauen 4/53)

Deshalb ist die Einsicht notwendig, die Armut und Machtlosigkeit als eine wichtige Herausforderung zu sehen und die richtigen Schritte für den Einzelnen einzuleiten.

Zu guter Letzt; jeder Person, ob reich und mächtig odee arm und schwach, ist es möglich sowohl für das Paradies, als auch für die Hölle entlohnt zu werden. Aber es gebührt viel mehr der Gefolgschaft, dem von Gott ehrenvoll auserwählten Propheten, im Diesseits und im Jenseits das Gute und Schöne zu anzustreben.

[…] Es gibt Menschen, die sagen: „Herr, gib uns Gutes im Diesseits!“ So haben sie keinen Anteil am Jenseits. Aber es gibt auch Menschen, die sagen: „Unser Herr! Gewähre uns Gutes im Diesseits und Gutes im Jenseits, und bewahre uns vor der Höllenstrafe!“ Diese belohnt Gott für ihre guten Werke. Gott ist schnell im abrechnen. (al-Baqara, Die Kuh 2/200-202)
Sprich: „Wer hat den Schmuck Gottes verboten, den Er für seine Diener hervorgebracht hat und die guten Speisen?“ Sprich: „Sie sind den Gläubigen im Diesseits erlaubt, und im Jenseits sind sie ausschließlich für sie bestimmt.“ So stellen Wir die Verse des Koran für die Menschen klar, die sich um Wissen bemühen. (Al-A’raf, Die Unterscheidungsfähigkeit 7/32)

H. Mustafa Arslan

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