Islam und Koran
Die koranische Bedeutung der Tebyin-Pflicht des Gesandten Gottes

Die koranische Bedeutung der Tebyin-Pflicht des Gesandten Gottes

Tebyin heißt erläutern.1 In vielen Versen wird hervorgehoben, dass das Buch unzweideutig ist.2 In einem von diesen heißt es:

الۤرٰ تِلْكَ اٰيَاتُ الْكِتَابِ الْمُب۪ينِ

Elif. Lâm. Râ. Dies sind die Verse des unzweideutigen Buches. (Yusuf, Josef 12/1)

Der Erläuterung der Verse nimmt sich Gott selbst an,3 das heißt, Er selbst hat die Erläuterungen vorgenommen. In der Sure Kiyamet lesen wir:

لَا تُحَرِّكْ بِه۪ لِسَانَكَ لِتَعْجَلَ بِه۪  اِنَّ عَلَيْنَا جَمْعَهُ وَقُرْاٰنَهُ  فَاِذَا قَرَاْنَاهُ فَاتَّبِعْ قُرْاٰنَهُ  ثُمَّ اِنَّ عَلَيْنَا بَيَانَهُ

Bewege deine Zunge nicht, um mit ihm voreilige Schlüsse zu ziehen. Uns obliegt es ihn zusammenzutragen und in einen Koran-Zustand (Sammelwerk) zu bringen. Wenn wir ihn dann zusammengetragen haben, richte dich umgehend nach seinigen Kur´an (Gesamtzusammenhang). Ohnehin obliegt uns seine Erläuterung. (al-Qiyama, Die Auferstehung 75/16–19)

Wenn schon die Verse des Buches durch den Allmächtigen Gott für muhkem erklärt und erläutert wurden, damit wir ihm keine Götzen zur Seite stellen, bedarf das Buch folglich auch keiner weiteren Erläuterung. Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, innerhalb einer vorgegebenen Vorgehensweise einen Weg zur Erkenntnisgewinnung über die – vom Allmächtigen Gott gemachten – Erläuterungen aufzuzeigen. Was von uns gefordert wird, ist also nicht, was andere vorgeben, sondern was uns das Buch mitteilt. Gott sagt in diesem Zusammenhang:

الۤمۤصۤ  كِتَابٌ أُنزِلَ إِلَيْكَ فَلاَ يَكُن فِي صَدْرِكَ حَرَجٌ مِّنْهُ لِتُنذِرَ بِهِ وَذِكْرَى لِلْمُؤْمِنِينَ  اِتَّبِعُوا مَاۤ اُنْزِلَ اِلَيْكُمْ مِنْ رَبِّكُمْ وَلَا تَتَّبِعُوا مِنْ دُونِه۪ۤ اَوْلِيَاۤءَ قَل۪يلًا مَا تَذَكَّرُونَ

Elif, Lam, Mim, Sad. Das Buch, das dir hinabgesandt wurde. Deine Brust sei deswegen nicht bedrängt. Hinabgesandt, damit du mit ihm ermahnst und sich die Gläubigen erinnern, auf dass sie Ihr Wissen anwenden. Befolgt das, was euch euer Herr sandte, und folgt keinen Heiligen, die ihr zwischen Gott und euch gestellt habt – wie wenig ihr doch von eurem Wissen nutzt. (al-A’râf, Die Unterscheidungsfähigkeit 7/1-3)

Den Gesandten und Warnern eine Erläuterungsfunktion zuzuschreiben, könnte unter diesen Umständen so ausgelegt werden, dass sie die Schrift inhaltlich offenzulegen hätten. Gott aber sagt:

وَمَا أَرْسَلْنَا مِن قَبْلِكَ إِلاَّ رِجَالاً نُّوحِي إِلَيْهِمْ فَاسْأَلُواْ أَهْلَ الذِّكْرِ إِن كُنتُمْ لاَ تَعْلَمُونَ بِالْبَيِّنَاتِ وَالزُّبُرِ وَأَنزَلْنَا إِلَيْكَ الذِّكْرَ لِتُبَيِّنَ لِلنَّاسِ مَا نُزِّلَ إِلَيْهِمْ وَلَعَلَّهُمْ يَتَفَكَّرُونَ

Auch vor dir haben wir einige Männer als Propheten gesandt, die von uns Eingebungen erhielten. Wenn ihr es nicht wisst, fragt die, welche Kunde darüber haben. Und jene Gesandte schickten wir mit unzweideutigen Beweisen und Schriften. Und dir sandten wir diesen Koran, damit du das, was ihnen gesandt wurde und worüber sie Nachdenken sollen, erklärst (an-Nahl, Die Biene 16/43-44)

In beiden Versen kommt das Wort „zikir“ vor. Durch den, dem Propheten gesandten Zikir, also den Koran, werden die vorangegangen Schriften bestätigt.4 Hierauf wird in den obigen Versen aufmerksam gemacht. Somit wird den Gemeinschaften, denen eine Schrift gesandt wurde (Buchreligion) und die jene Schrift mit dem Koran vergleichen, bewusst, dass der Koran Gottes Buch ist. Es gab jedoch neben jenen, die sich dies zugestanden haben, auch solche, die diesen Umstand bewusst ignorierten.5 Die Erläuterungsfunktion des Gesandten Gottes erschöpft sich folglich darin, den Inhalt der alten Schriften deutlich im Koran aufzuzeigen. Ohnehin wird im Vers über eine Erläuterungsfunktion unseres Propheten gemeinsam mit dem Koran berichtet. Die folgenden Verse vermögen ein deutlicheres Bild zu vermitteln:

وَمَا أَرْسَلْنَا قَبْلَكَ إِلاَّ رِجَالاً نُّوحِي إِلَيْهِمْ فَاسْأَلُواْ أَهْلَ الذِّكْرِ إِن كُنتُمْ لاَ تَعْلَمُون  وَمَا جَعَلْنَاهُمْ جَسَدًا لَّا يَأْكُلُونَ الطَّعَامَ وَمَا كَانُوا خَالِدِينَ  ثُمَّ صَدَقْنَاهُمُ الْوَعْدَ فَأَنجَيْنَاهُمْ وَمَن نَّشَاء وَأَهْلَكْنَا الْمُسْرِفِينَ لَقَدْ أَنزَلْنَا إِلَيْكُمْ كِتَابًا فِيهِ ذِكْرُكُمْ أَفَلَا تَعْقِلُونَ

Auch vor dir haben wir einige Männer als Propheten gesandt, die wir auserwählten, von uns Eingebungen zu erhalten. Wenn ihr es nicht wisst, fragt die, welche Kunde darüber haben. Und wir machten sie nicht zu Wesen die keine Nahrung aufnehmen, noch waren sie unsterblich. Dann erfüllten Wir unser Versprechen an ihnen und erretteten sie und darüber hinaus wen Wir wollten. Und die Übertreter ließen wir zugrunde gehen. Wahrlich, auch euch haben Wir ein Buch gesandt, dessen Inhalt für euch bestimmt ist. Wollt ihr denn noch immer nicht euren Verstand nutzen? (al-Anbiya‘, Die Propheten 21/7-10)

In den weiter folgenden Versen wird von den Schriftbesitzern gefordert, dass ihnen zugrunde liegende Buch mit dem Koran zu vergleichen:

أَمِ اتَّخَذُوا مِن دُونِهِ آلِهَةً قُلْ هَاتُوا بُرْهَانَكُمْ هَذَا ذِكْرُ مَن مَّعِيَ وَذِكْرُ مَن قَبْلِي بَلْ أَكْثَرُهُمْ لَا يَعْلَمُونَ الْحَقَّ فَهُم مُّعْرِضُونَ  وَمَا أَرْسَلْنَا مِن قَبْلِكَ مِن رَّسُولٍ إِلَّا نُوحِي إِلَيْهِ أَنَّهُ لَا إِلَهَ إِلَّا أَنَا فَاعْبُدُونِ

Haben Sie neben Ihm etwa andere Götzen genommen? Sprich: „Bringt denn eure Beweise hervor! Hier das Buch derer, die mit mir sind und hier die Schriften derer, die vor mir waren.“ Zweifelsohne, die meisten von ihnen kennen die Wahrheit nicht und wenden sich deswegen ab. Allen Gesandten vor dir gaben wir ein: „Wahrlich, es gibt keinen anderen Gott außer Mir, so dient denn Mir (al-Anbiya, Die Propheten 21/ 24-25)

Aber auch dem Gesandten wird geraten, die Schriften zu vergleichen. Gott sagt:

فَاِنْ كُنْتَ ف۪ي شَكٍّ مِمَّاۤ اَنْزَلْنَاۤ اِلَيْكَ فَسْـَٔلِ الَّذ۪ينَ يَقْرَؤُۧنَ الْكِتَابَ مِنْ قَبْلِكَ لَقَدْ جَاۤءَكَ الْحَقُّ مِنْ رَبِّكَ فَلَا تَكُونَنَّ مِنَ الْمُمْتَر۪ينَ

Wenn du über das, was Wir zu dir hinabgesandt haben, im Zweifel bist, dann frage die, welche das vor dir hinabgsandte Buch gelesen haben. Wahrlich, dein Herr sandte dir dieselbe Wahrheit. Gehöre darum nicht zu den Zweiflern! (Yunus, Jona 10/94)

Der Koran ist die in arabischer Sprache gesandte Version der vorangegangenen Schriften. Im Vers heißt es:

وَمِنْ قَبْلِه۪ كِتَابُ مُوسٰىۤ اِمَامًا وَرَحْمَةً وَهٰذَا كِتَابٌ مُصَدِّقٌ لِسَانًا عَرَبِيًّا لِيُنْذِرَ الَّذ۪ينَ ظَلَمُوا وَبُشْرٰى لِلْمُحْسِن۪ينَ

Vor ihm gab es schon das Buch Moses, eine Barmherzigkeit und Richtschnur. Und dies ist ein bestätigendes Buch, in arabischer Sprache gesandt, als Warnung für die ungerecht handelnden und als frohe Botschaft für die, die Gutes tun. (al-Ahqaf, Die Sanddünen 46/12)

Laut diesem Vers war der Inhalt des auf arabisch gesandten Koran auch schon in den vorigen Schriften enthalten, wie die Schriftbesitzer ebenfalls wussten. Die betreffenden Verse lauten:

وَلَقَدْ وَصَّلْنَا لَهُمُ الْقَوْلَ لَعَلَّهُمْ يَتَذَكَّرُونَ  اَلَّذ۪ينَ اٰتَيْنَاهُمُ الْكِتَابَ مِنْ قَبْلِه۪ هُمْ بِه۪ يُؤْمِنُونَ  وَاِذَا يُتْلٰى عَلَيْهِمْ قَالُوۤا اٰمَنَّا بِه۪ۤ اِنَّهُ الْحَقُّ مِنْ رَبِّنَاۤ اِنَّا كُنَّا مِنْ قَبْلِه۪ مُسْلِم۪ينَ

Denn wahrlich, wir haben das Wort (die Offenbarung) nach und nach gesandt, auf dass sie nachdächten und als Lehre. Diejenigen, denen wir vor ihm (dem Koran) eine Schrift gaben, glauben ihm auch. Und wenn ihnen (der Koran) vorgetragen wird, sagen sie: „Wir glauben daran, da es die Wahrheit von unserem Herrn ist. Im Grunde waren wir davor schon Gottergebene“. (al-Qasas, Die Geschichte 28/51 ff.)

وَإِنَّهُ لَتَنزِيلُ رَبِّ الْعَالَمِينَ  نَزَلَ بِهِ الرُّوحُ الْأَمِينُ  عَلَى قَلْبِكَ لِتَكُونَ مِنَ الْمُنذِرِينَ  بِلِسَانٍ عَرَبِيٍّ مُّبِينٍ  وَإِنَّهُ لَفِي زُبُرِ الْأَوَّلِينَ  أَوَلَمْ يَكُن لَّهُمْ آيَةً أَن يَعْلَمَهُ عُلَمَاء بَنِي إِسْرَائِيلَ  وَلَوْ نَزَّلْنَاهُ عَلَى بَعْضِ الْأَعْجَمِينَ  فَقَرَأَهُ عَلَيْهِم مَّا كَانُوا بِهِ مُؤْمِنِينَ

Zweifelsohne, dieser Koran ist eine Offenbarung des Herrn der Welten. Auf dass du zu den Warnern gehörest, wurde er vom getreuen Geist (Gabriel) in unzweideutiger arabischer Sprache in dein Herz gesandt. Und wahrlich, dies (dass der Koran gesandt werden würde) stand auch schon in den Büchern der vorigen Schriftbesitzer. Stellt es für sie (den Götzendienern Mekkas) denn keinen Beweis dar, dass die Weisen der Kinder Israels davon Kenntnis hatten? Wenn wir ihn einem der arabisch Unkundigen gesandt hätten, und er dies ihnen vorgetragen hätte, wahrlich, sie hätten ihm trotzdem nicht geglaubt. (asch-Schu’ara‘, Die Dichter 26/192-199)

وَيَقُولُ الَّذ۪ينَ كَفَرُوا لَسْتَ مُرْسَلًا قُلْ كَفٰى بِاللّٰهِ شَه۪يدًا بَيْن۪ي وَبَيْنَكُمْ وَمَنْ عِنْدَهُ عِلْمُ الْكِتَابِ

Die, welche Gott leugnen, sagen: „Du bist kein Gesandter“. Sprich: „Jene unter uns, die Kenntnis von Gott und dem Buch haben genügen mir als Zeugen“ (ar-Ra’d, Donner 13/43)

Was die Schriftbesitzer aus dem Buch verheimlichten und worüber sie als Folge dessen uneins waren, hat der Gesandte Gottes mit dem Koran offengelegt. Dies galt auch für vorangegange Propheten.6 Die betreffenden Verse lauten:

يَاۤ اَهْلَ الْكِتَابِ قَدْ جَاۤءَكُمْ رَسُولُنَا يُبَيِّنُ لَكُمْ كَث۪يرًا مِمَّا كُنْتُمْ تُخْفُونَ مِنَ الْكِتَابِ وَيَعْفُوا عَنْ كَث۪يرٍ قَدْ جَاۤءَكُمْ مِنَ اللّٰهِ نُورٌ وَكِتَابٌ مُب۪ينٌ

O Volk der Schrift! Nunmehr ist Unser Gesandter zu euch gekommen, um vieles, was ihr von der Schrift verbargt, zu enthüllen, und vieles (eure Fehler) zu verzeihen. Nunmehr ist euch von Gott ein Licht und ein unzweideutiges Buch gekommen. (al-Ma’ida, Das Mahl 5/15)

تَاللّهِ لَقَدْ أَرْسَلْنَا إِلَى أُمَمٍ مِّن قَبْلِكَ فَزَيَّنَ لَهُمُ الشَّيْطَانُ أَعْمَالَهُمْ فَهُوَ وَلِيُّهُمُ الْيَوْمَ وَلَهُمْ عَذَابٌ أَلِيمٌ  وَمَا أَنزَلْنَا عَلَيْكَ الْكِتَابَ إِلاَّ لِتُبَيِّنَ لَهُمُ الَّذِي اخْتَلَفُواْ فِيهِ وَهُدًى وَرَحْمَةً لِّقَوْمٍ يُؤْمِنُونَ

Bei Gott! Schon zu den Völkern vor dir sandten wir Propheten. Doch Satan ließ ihnen (den Völkern) ihre Werke verlockend erscheinen. So ist er heute ihr Beschützer, und sie wird schmerzliche Strafe treffen. Und Wir sandten das Buch nur deshalb zu dir, damit du ihnen klar machst, worüber sie uneins sind, und als Rechtleitung und Barmherzigkeit für ein gläubiges Volk. (an-Nahl, Die Bienen 16/63-64)

Im Kern dieses Verses wird die Person benannt, die im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen den strittigen Parteien als Schlichter agiert, und dass dem Propheten Mohammad für die Erläuterung dieser Meinungsverschiedenheiten ein Buch gesandt wurde. Das heißt, der Prophet richtet in Streitfällen mit dem ihm gegebenen Buch. Die Bedeutung des Wortes Tebyin bedeutet also das „Mitteilen“ oder „Offenlegen“ einer Sache. Schließlich werden im Koran für, gegenüber den Streitenden zu machende „Erläuterung“ die Begriffe tebyin7, urteilen8, verkünden9, kaza10, tafsil11 verwendet. In Bezug auf die Streitsache, verweisen folgende Verse darauf, dass die Klärung der Streitsache mit dem Buch geschieht:

إِنَّ هَذَا الْقُرْآنَ يَقُصُّ عَلَى بَنِي إِسْرَائِيلَ أَكْثَرَ الَّذِي هُمْ فِيهِ يَخْتَلِفُونَ

Wahrlich, dieser Koran erklärt den Kindern Israels das meiste von dem, worüber sie uneins sind. (an-Naml, Die Ameisen 27/76)

Da ein Buch eine Vielzahl von Streitpunkten der Kinder Israels erklärt, dürfte der Gesandte Gottes mittels des an ihn herabgesandten Buch erläutert haben.

 كَانَ النَّاسُ أُمَّةً وَاحِدَةً فَبَعَثَ اللّهُ النَّبِيِّينَ مُبَشِّرِينَ وَمُنذِرِينَ وَأَنزَلَ مَعَهُمُ الْكِتَابَ بِالْحَقِّ لِيَحْكُمَ بَيْنَ النَّاسِ فِيمَا اخْتَلَفُواْ فِيهِ وَمَا اخْتَلَفَ فِيهِ إِلاَّ الَّذِينَ أُوتُوهُ مِن بَعْدِ مَا جَاءتْهُمُ الْبَيِّنَاتُ بَغْيًا بَيْنَهُمْ فَهَدَى اللّهُ الَّذِينَ آمَنُواْ لِمَا اخْتَلَفُواْ فِيهِ مِنَ الْحَقِّ بِإِذْنِهِ وَاللّهُ يَهْدِي مَن يَشَاء إِلَى صِرَاطٍ مُّسْتَقِيمٍ

Die Menschen waren eine einzige Gemeinschaft. Dann entsandte Gott die Propheten als Bringer froher Botschaft und als Warner. Und Er offenbarte ihnen das Buch mit der Wahrheit, um zwischen den Menschen zu richten über das, worüber sie uneins waren. Uneins aber waren nur jene, denen es gegeben wurde, nachdem klare Beweise zu ihnen gekommen waren, aus Missgunst untereinander. Doch Gott leitet mit Seiner Erlaubnis diejenigen, die gläubig sind, zur Wahrheit, über die sie uneins waren. Und Gott leitet, wen Er will, auf einen geraden Weg. (al-Baqara, Die Kuh 2/213)

Diesem Vers zufolge sandte Gott den Propheten ein Buch, um über das zu richten, worüber die Menschen uneins waren. Demnach erfolgt die Erläuterung aus dem Buch. Laut des letzten Teils des Verses führt Gott mithilfe des Buches die Gläubigen in strittigen Fragen ohnehin wieder auf den rechten Weg. Dies wird im nachfolgenden Vers betont:

وَمَا اخْتَلَفْتُمْ فِيهِ مِن شَيْءٍ فَحُكْمُهُ إِلَى اللَّهِ ذَلِكُمُ اللَّهُ رَبِّي عَلَيْهِ تَوَكَّلْتُ وَإِلَيْهِ أُنِيبُ

Und über was immer ihr uneins seid, die Entscheidung darüber ruht bei Gott. Das ist Gott, mein Herr; auf Ihn vertraue ich, und zu Ihm wende ich mich. (asch-Schura, Beratung 42/10)

Im Grunde beziehen sich die Meinungsverschiedenheiten auf den Inhalt der Bücher.

ذَلِكَ بِأَنَّ اللّهَ نَزَّلَ الْكِتَابَ بِالْحَقِّ وَإِنَّ الَّذِينَ اخْتَلَفُواْ فِي الْكِتَابِ لَفِي شِقَاقٍ بَعِيدٍ

Dies geschieht darum, weil Gott das Buch mit der Wahrheit herabgesandt hat. Und diejenigen, die sich über das Buch streiten, befinden sich gewiss in großer Feindschaft. (al-Baqara, Die Kuh 2/176)

وَلاَ تَكُونُواْ كَالَّذِينَ تَفَرَّقُواْ وَاخْتَلَفُواْ مِن بَعْدِ مَا جَاءهُمُ الْبَيِّنَاتُ وَأُوْلَـئِكَ لَهُمْ عَذَابٌ عَظِيمٌ

Und seid nicht wie jene, die auseinander gingen und uneinig wurden, nachdem die klaren Beweise zu ihnen gekommen waren. Für jene gibt es gewaltige Strafe. (Al‘ Imran, Das Haus von Imran 3/105)

Um im Jenseits über das, worüber die Menschen uneins waren, richten zu können, bedarf es diese Meinungsverschiedenheit im Diesseits offen darzulegen. Dies passiert mit einem Buch. Wie zum Beispiel bei Bedenken und Leugnung hinsichtlich der Wiederauferstehung. Obwohl das Buch diese Tatsache erläutert , werden Einige diese Wahrheit leugnen aber im Jenseits einsehen. Gott sagt:

وَأَقْسَمُواْ بِاللّهِ جَهْدَ أَيْمَانِهِمْ لاَ يَبْعَثُ اللّهُ مَن يَمُوتُ بَلَى وَعْدًا عَلَيْهِ حَقًّا وَلـكِنَّ أَكْثَرَ النَّاسِ لاَ يَعْلَمُونَ لِيُبَيِّنَ لَهُمُ الَّذِي يَخْتَلِفُونَ فِيهِ وَلِيَعْلَمَ الَّذِينَ كَفَرُواْ أَنَّهُمْ كَانُواْ كَاذِبِينَ

Und sie schwören bei Gott ihre festen Eide, Gott werde jene nicht auferwecken, die sterben. Aber nein! Ihn bindet ein Versprechen, das Ihm obliegt – jedoch die meisten Menschen wissen es nicht. Er wird ihnen das klar machen, worüber sie uneins waren, damit jene, die ungläubig sind, wissen, dass sie Lügner sind. (an-Nahl, Die Biene 16/38-39)

In den nachfolgenden Versen steht „tebyin“ für das Offenlegen von Verheimlichtem, Verstecktem:

إِنَّ الَّذِينَ يَكْتُمُونَ مَا أَنزَلْنَا مِنَ الْبَيِّنَاتِ وَالْهُدَى مِن بَعْدِ مَا بَيَّنَّاهُ لِلنَّاسِ فِي الْكِتَابِ أُولَـئِكَ يَلعَنُهُمُ اللّهُ وَيَلْعَنُهُمُ اللَّاعِنُونَ  إِلاَّ الَّذِينَ تَابُواْ وَأَصْلَحُواْ وَبَيَّنُواْ فَأُوْلَـئِكَ أَتُوبُ عَلَيْهِمْ وَأَنَا التَّوَّابُ الرَّحِيمُ  إِنَّ الَّذِينَ كَفَرُوا وَمَاتُوا وَهُمْ كُفَّارٌ أُولَئِكَ عَلَيْهِمْ لَعْنَةُ اللّهِ وَالْمَلآئِكَةِ وَالنَّاسِ أَجْمَعِينَ  خَالِدِينَ فِيهَا لاَ يُخَفَّفُ عَنْهُمُ الْعَذَابُ وَلاَ هُمْ يُنظَرُونَ  وَإِلَـهُكُمْ إِلَهٌ وَاحِدٌ لاَّ إِلَهَ إِلاَّ هُوَ الرَّحْمَنُ الرَّحِيمُ

Diejenigen, die verbergen, was Wir von den klaren Beweisen und der Rechtleitung herabsandten, nachdem Wir es den Menschen im Buch erklärt hatten, diese verflucht Gott, und diese verfluchen auch die Fluchenden, außer denjenigen, die sich reuevoll zuwenden, sich bessern und klarstellen. Denen wende Ich Meine Gnade wieder zu; denn Ich allein bin der Reueannehmende, der Gnadenspender. Wahrlich, diejenigen, die ungläubig sind und in ihrem Unglauben sterben, auf denen lastet der Fluch Gottes und der Engel und der Menschen insgesamt. Darin werden sie ewig sein. Die Strafe wird ihnen nicht erleichtert, und es wird ihnen kein Aufschub gewährt. Euer Gott ist der Eine Gott, es gibt keine Gottheit außer Ihm, dem Allergnädigsten, dem Barmherzigen. (al-Baqara, Die Kuh 2/159-163)

يَا أَهْلَ الْكِتَابِ قَدْ جَاءكُمْ رَسُولُنَا يُبَيِّنُ لَكُمْ كَثِيرًا مِّمَّا كُنتُمْ تُخْفُونَ مِنَ الْكِتَابِ وَيَعْفُو عَن كَثِيرٍ قَدْ جَاءكُم مِّنَ اللّهِ نُورٌ وَكِتَابٌ مُّبِينٌ

Oh Angehörige der Schrift, Unser Gesandter ist bei euch eingetroffen, dass er euch verdeutliche vieles, was ihr von der Schrift verheimlicht, und um gegen vieles Nachsicht zu üben. Wahrlich, bei euch sind eingetroffen von Gott ein Licht und ein verdeutlichtes Buch. (al-Ma’ida, Das Mahl 5/15)

Aus den Versen geht hervor, dass das Verkünden aus dem Buch, wie es im Buche steht (also tebyin) Jedermanns Aufgabe ist. Sure 3 Vers 187:

وَإِذَ أَخَذَ اللّهُ مِيثَاقَ الَّذِينَ أُوتُواْ الْكِتَابَ لَتُبَيِّنُنَّهُ لِلنَّاسِ وَلاَ تَكْتُمُونَهُ فَنَبَذُوهُ وَرَاء ظُهُورِهِمْ وَاشْتَرَوْاْ بِهِ ثَمَناً قَلِيلاً فَبِئْسَ مَا يَشْتَرُونَ

Und (damals) als Gott die Verpflichtung derer, die die Schrift erhalten haben, entgegennahm (des Inhalts): Ihr müsst sie den Leuten klarmachen und dürft sie nicht (vor ihnen) verborgen halten! Hierauf warfen sie sie achtlos hinter sich und verschacherten sie. Ein schlechter Handel (auf den sie sich eingelassen haben)! (Al‘ Imran, Das Haus von Imran 3/187)

Es ist vom Fluch Gottes die Rede, wenn der originaltgetreue Inhalt der Bücher nicht wiedergegeben, sondern verheimlicht wird.12 Verheimlichung darf nicht als eine Löschung entsprechender Passagen verstanden werden, sondern als Trennung der Verknüpfungen von Versen miteinander, derart, dass dadurch eine Verfälschung der Bücher resultiert.13

Damit die Propheten mit dem von Gott gesandten Buch jegliches eindeutig erklären können, muss es in der Sprache des empfangenden Volkes gesendet werden. Der entsprechende Vers lautet:

وَمَا أَرْسَلْنَا مِن رَّسُولٍ إِلاَّ بِلِسَانِ قَوْمِهِ لِيُبَيِّنَ لَهُمْ فَيُضِلُّ اللّهُ مَن يَشَاء وَيَهْدِي مَن يَشَاء وَهُوَ الْعَزِيزُ الْحَكِيمُ

Und Wir schickten keinen Gesandten, es sei denn mit der Sprache seines Volkes, auf dass er sie aufkläre. Dann erklärt Gott zum Irrenden, wen Er will, und leitet recht, wen Er will. Und Er ist der Erhabene, der Allweise. (Ibrahim, Abraham 14/4)

Um zu gewährleisten, dass die Verkündigung vom jeweiligen Volk auch aufgenommen werden kann, ist es nur natürlich, sie in der Sprache des empfangenden Volkes zu herab zusenden. In den entsprechenden Versen heißt es:

فَإِنَّمَا يَسَّرْنَاهُ بِلِسَانِكَ لِتُبَشِّرَ بِهِ الْمُتَّقِينَ وَتُنذِرَ بِهِ قَوْمًا لُّدًّا

Darum haben Wir ihn (den Koran) (dir) in deiner Sprache leicht (verständlich) gemacht, damit du durch ihn den Gottesfürchtigen die frohe Botschaft verkünden und die Streitsüchtigen warnen mögest. (Maryam, Maria 19/97)

فَإِنَّمَا يَسَّرْنَاهُ بِلِسَانِكَ لَعَلَّهُمْ يَتَذَكَّرُونَ

Wir haben ihn (den Koran) in deiner Sprache leicht gemacht, damit sie sich ermahnen lassen. (ad-Dukhan, Rauch 44/58)

يَا أَهْلَ الْكِتَابِ قَدْ جَاءكُمْ رَسُولُنَا يُبَيِّنُ لَكُمْ عَلَى فَتْرَةٍ مِّنَ الرُّسُلِ أَن تَقُولُواْ مَا جَاءنَا مِن بَشِيرٍ وَلاَ نَذِيرٍ فَقَدْ جَاءكُم بَشِيرٌ وَنَذِيرٌ وَاللّهُ عَلَى كُلِّ شَيْءٍ قَدِيرٌ

O Leute der Schrift, zu euch ist nunmehr Unser Gesandter nach einer Zeitspanne zwischen den Gesandten gekommen, um euch aufzuklären, damit ihr nicht sagen könnt: „Kein Bringer froher Botschaft und kein Warner ist zu uns gekommen.“ So ist nun in Wahrheit ein Bringer froher Botschaft und ein Warner zu euch gekommen. Und Gott hat Macht über alle Dinge. (al-Ma’ida, Das Mahl 5/19)

Der Vers berichtet davon, dass zu den Menschen ein Gesandter als Bringer froher Botschaft und Warner gekommen ist, damit sie genau das nicht entgegnen können. Da der Gesandte Gottes die Frohen Botschaften und die Warnungen aus dem Koran entnimmt, können die in den Versen genannten Erklärungen nichts anderes, als die Verkündung der Offenbarungen sein. Bewertet man diesen Sachverhalt mit dem folgenden Vers, erkennt man, was der Gesandte Gottes eigentlich gebracht und erläutert hat.

يَا أَهْلَ الْكِتَابِ قَدْ جَاءكُمْ رَسُولُنَا يُبَيِّنُ لَكُمْ كَثِيرًا مِّمَّا كُنتُمْ تُخْفُونَ مِنَ الْكِتَابِ وَيَعْفُو عَن كَثِيرٍ قَدْ جَاءكُم مِّنَ اللّهِ نُورٌ وَكِتَابٌ مُّبِينٌ

O Volk der Schrift, nunmehr ist Unser Gesandter zu euch gekommen, der euch vieles enthüllt, was ihr von der Schrift verborgen hieltet, und vieles übergeht. Gekommen ist zu euch fürwahr ein Licht von Gott und ein klares Buch. (al-Ma’ida, Das Mahl 5/15)

Mit dem Wort „tafsil“ im Koran wird bemerkt, dass der Koran durch Gott erläutert, somit auch ein detailreiches Buch ist.14

Wenn in vielen Versen vom Koran als ein durch Gott erläutertest Buch die Rede ist, kann sonst Niemandem eine Erläuterungsaufgabe oder eine Kompetenz zukommen. Uns obliegt jedoch die Aufgabe, die durch Gott gemachten Erläuterungen ausfindig zu machen.

Dr. Fatih Orum


1„B-y-n“, aus dem Infinitiv „beyân“ und „tibyân“, bedeutet „eindeutig“ und „erläutern“. Erläutern hat seinen Ursprung im Wort „tefil“, dessen Infinitiv „tebyîn“ und „tibyân“ ist. Eine genauere Unterscheidung dieser beiden Infinitiv-Grundformen macht Elmalili Hamdi Yazir in seinem Werk: el-Mu’cemü’l-‘arabiyyü’l-esâsiyy, Komisyon, b-y-n md, aus.Autor: Elmalılı Hamdi Yazır, Titel: Hak Dinin Kur’an Dili Yeni Meallı Türkçe Tefsir, Verlag: Matbaai Ebüzziya, İstanbul, 1935, I, 26-27.

2Hicr 15/1; Schu’ara‘ 26/2; Qasas 28/2; Ya Sin 36/69; Zukhruf 43/2; Dukhan 44/2.

3Baqara 2/118; Al‘ Imran 3/118; Hadid 57/17.

4Baqara 2/ 41, 89, 91, 97, 101; Al‘ Imrân 3/3, 81; An’am 6/92; Yunus 10/37; Yusuf 12/111; Ahqaf 46/12.

5Baqara 2/89; Ma’ida 5/82 vd.; Qasas 28/51 ff.

6Zukhruf 43/63.

7Nahl 16/92.

8Âl‘ Imrân 3/55; Hadschsch 22/69; Baqara 2/113; Nahl 16/124; Zumar 39/46.

9Ma’ida 5/48; An’am 6/164.

10Yunus 10/93; Dschathiya 45/17.

11Sadschda 32/25.

12Âl‘ Imrân 3/187.

13Baqara 2/75; Âl‘ Imrân 3/7; Nisa 4/46; Ma’ida 5/13,41.

14An’âm 6/55, 97, 98, 114, 126; A’râf 7/32, 52, 174; Tawba 9/11; Yunus 10/5, 24, 37; Hud 11/1; Yusuf 12/111; Ra’d 13/2; Rûm 30/28; Fussilat 41/3.

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